Bei den Funkern in Uebigau

Ein anschauliches Bild von der früheren Kaserne in Übigau vermittelt der folgende Bericht:

Dresdner Anzeiger vom 13. März 1932, Seite 6

Bei den Funkern in Uebigau - Ein Besuch bei der 4. (Sächs.) Nachrichten-Abteilung

eh. Baracke der Luftschiffer-Companie an der Scharfenberger Straße (2004)Die meisten Dresdner werden schwerlich eine Ahnung davon haben, daß in ihrer Stadt drei Funktürme von ganz respektabler Höhe in die Luft ragen. Noch mehr werden die Leser dieser Zeilen aber staunen, wenn sie erfahren, daß die Türme an der Immelmannstraße stehen. Funktürme? Immelmannstraße?
Ja, Dresden hat eben eine ganz ansehnliche Ausdehnung und nach dem Westen der Stadt auf Neustädter Seite sind viele seit Jahren, ja seit Jahrzehnten nicht mehr gekommen. Vor dem Kriege war das anders. Da ergossen sich an den Sonn- und Feiertagen wahre Völkerwanderungen vom Pieschener Winkel her nach Übigau und Kaditz, wenn auf dem Flugplatz luftsportliche Ereignisse zu erwarten waren. Dort draußen standen die Baracke der Luftschiffer-Companie 1914Flugzeugschuppen Hermann Reichelts, des Dresdner Pioniers der Lüfte, der an einem Karfreitag mit seiner Maschine tödlich abstürzte, dort draußen führte der erste Flugplatzdirektor, der damalige Leutnant Willy Meyer, der heute in Berlin-Charlottenburg lebt und Flugzeuge der Lufthansa steuert, die ersten begeisterten Passagiere in die Lüfte, dort draußen schauten die Dresdner den tollen Kunststücken eines Pégoud, Chanteloup und Chevillard zu, und dort draußen standen auch die zwei riesigen Luftschiffhallen, die in ihrem Innern stolze Zeppeline bargen.
Vergangene Zeiten! Die Luftschiffhallen ließ das Versailler Diktat verschwinden und der Flugplatz wurde später auf den Heller verlegt. So sind in Übigau am Rande des einstigen Flugplatzes die ausgedehnten Kasernenanlagen entstanden, ohne daß die Dresdner viel davon gemerkt hätten, und die drei Funktürme kennen wohl nur die Umwohner, zumal zwei Türme erst in allerjüngster Zeit errichtet worden sind.
Die drei Funkmasten erheben sich in der Nordostecke des Kasernengeländes der 4. (Sächs.) Nachrichten-Abteilung, einer Truppe, die selbst erst reichliche zehn Jahre alt ist. Einen Stab und zwei Kompanien umfaßt die Abteilung, also insgesamt etwa 300 Mann. Die 1. Kompanie ist aus dem Funker in feldmarschmäßiger Ausrüstung 1932 (Karrikatur 1932)ehem. Kgl. Sächs. Telegraphen-Bataillon Nr.7, das kurz vor dem Kriege aufgestellt wurde und in Zeithain lag, und seinen Kriegsformationen entstanden, die 2. Kompanie ist aus dem preußischen Telegraphen-Bataillon Nr.8 hervorgegangen. So kam es, daß anfangs die 1. Kompanie größtenteils aus Sachsen, die zweite aus Schlesiern bestand. Doch haben sich mit der Zeit diese Unterschiede verwischt; heute wird der Ersatz für beide Kompanien aus allen Teilen des Reiches genommen. Geeigneten Ersatz zu finden, ist nicht ganz leicht, da an die Mannschaften der Nachrichten-Abteilungen sehr hohe Anforderungen gestellt werden mit Rücksicht auf die Vielseitigkeit des Dienstes und das komplizierte technische Gerät. Im Vordergrunde steht natürlich die Ausbildung zum Soldaten und mit der Waffe; außerdem lernt der Mann aber Reiten, Fahren, Kraftfahren, Bedienung des Fernsprech- und des Funkgerätes. Funker in feldmarschmäßiger Ausrüstung 1932. Als kürzlich das Unteroffizierskorps der Abteilung sein Wintervergnügen abhielt, da war die umfängliche Ausbildung des Funkers recht nett auf der Rückseite des Festprogramms in einer humoristischen Zeichnung dargestellt worden. Wir bringen das amüsante Bildchen "Funker in feldmarschmäßiger Ausrüstung im Jahre 1932" untenstehend.
Der Mann dient auch bei der Nachrichtenabteilung zwölf Jahre, wie dies durch das Wehrgesetz vorgeschrieben ist. Für das Ausscheiden aus der Reichswehr macht er der Fachschule für Gewerbe und Technik, die sich bei der Abteilung selbst befindet, eine eingehende Ausbildung durch. Im siebenden bis achten Dienstjahre legen die Leute die Gesellenprüfung ab; die Meisterprüfung im zwölften Dienstjahre ist ihnen freigestellt. Zu den handwerklichen Prüfungen gehört auch ein "wissenschaftliches Examen" in Deutsch, Rechnen, Erdkunde, Staatsbürgerkunde.
Die Aufgaben einer Nachrichten-Abteilung lassen sich kurz folgendermaßen umreißen: Bei Einsatz der Division sind die Fernsprech- und Funkverbindungen zwischen dem Divisionsstab und den Regimentern der Infanterie und Artillerie wie mit den oberen Kommandobehörden herzustellen. Bei dem Mangel an Nachrichtenmitteln der Truppennachrichtenformationen der Infanterie und Artillerie besteht auch die Aushilfe für diese Formationen. Natürlich hat das Versailler Diktat den Nachrichtenformationen in personeller Hinsicht und in Bezug auf Ausstattung mit technischem Gerät allerlei Fesseln angelegt.

Im Vordergrund die ehm. Stallungen der 2. Kompanie (Funker), vor mittlerem Mast befand sich die feste FunkstelleDer Eindruck von der Vielseitigkeit der Ausbildung der Mannschaften der Nachrichten-Abteilung wird noch verstärkt, wenn man einen Rundgang durch die Kasernenanlagen unternimmt. Imponierend erheben sich in der Nordostecke zwischen Immelmannstraße und Scharfenberger Straße die drei Funktürme, zwischen denen die Sende- und Empfangsantennen ausgespannt sind. Zu Füßen der Masten liegt die feste Funkstelle, die natürlich in hervorragendem Maße die Ausbildung der Funker fördert. An der Reitbahn und an den Ställen vorbei kommt man zu den umfangreichen und vorzüglich ausgestatteten Werkstätten in der Südostecke der Kasernenanlagen. Diese Werkstätten, die der Instandsetzung des Gerätes und der Berufsausbildung der Leute dienen, enthalten allerlei elektrotechnische Anlagen und eine derartige maschinelle Ausrüstung, daß man sich in Laboratorien einer technischen Hochschule versetzt wähnt. An die Werkstätten schließen sich auf der Südfront des Kasernengebietes die Hallen mit Funkgerätewagen - wahren Wundern der Technik - den Kraftwagen für den Troß und den Motorrädern mit und ohne Beiwagen an.

Kaserne des Telegraphen-Battallions Nr. 7 (Feldpostkarte 1916)Wenn man die langen Korridore an den Mannschaftsstuben entlangschreitet, kann man zu gewissen Zeiten allüberall Musik vernehmen; die Rundfunkapparate sind in den freien Stunden angestellt, und selbstverständlich sind diese Apparate meistenteils selbst gebastelt. Die Zimmer sind infolge der wohnlichen Ausstattung alle sehr anheimelnd. Wunderhübsch ist die Traditionsstube, die von der Offiziersvereinigung des Telegraphen-Bataillons Nr. 7 eingerichtet worden ist; diese Stube ist besonders tüchtigen Leuten zur Belohnung als Wohnraum überwiesen worden. Die Unterrichtsräume sind infolge des benötigten technischen Materials geräumige Lehrsäle; einen großen Teil des einen Lehrsaales nimmt die umfangreiche Sandkastenanlage ein, an der vornehmlich bei schlechten Wetter "Geländeübungen" vorgenommen werden.
Auf den Gängen ziehen in besonderem Maße allerlei sportliche Auszeichnungen und errungene Preise die Aufmerksamkeit auf sich. Die 4. (Sächs.) Nachrichten-Abteilung hat nämlich auf sportlichem Gebiete mehrfach bemerkenswerte Erfolge davongetragen, gehört ihr doch der Gefreite Rudolf Böhmert an, der Inhaber der Divisionsmeisterschaft im 10000-Meter-Lauf, der ostsächsischen Meisterschaft im 5000-Meter- und 10000-Meter-Lauf und der mitteldeutschen Meisterschaft im 10000-Meter-Lauf ist; außerdem belegte erden 1. Platz im Frühjahrswaldlauf über 5000 Meter, im Herbstwaldlauf über 7000 Meter und im Querfeldeinlauf über 13000 Meter. Rudolf Böhmert, der am 1. Mai 1927 bei der Abteilung eingetreten ist und zur 1. Kompanie gehört, verteidigt am 19. März die Divisionsmeisterschaft und am 20. März die Gaumeisterschaft. Die 1. Kompanie ist in diesem Jahre Gruppensiegerin im Handball gewesen.
Die eingehende Besichtigung , bei der der Kommandeur der 4. (Sächs.) Nachrichten-Abteilung Major Dohne in äußerst entgegenkommender Weise dem "Zivilbesucher" zuerst eine kleine "Instruktionsstunde" erteilte und dann selbst die stundenlange Führung übernahm, endete im Mannschaftsspeiseraum. Dort gab es zum Abschied eine Kostprobe, die nicht abgelehnt wurde, standen doch auf dem Speisezettel Koteletts mit Salzkartoffeln und Apfelmus. Die Tage zuvor hatte es Hammelfleisch mit Weißkraut und Rouladen mit Rotkraut gegeben. "Freitag ist gewöhnlich Fischtag und auch Erbsen mit Speck gibts bei uns ", warf Major Dohne ein, um der Speisekarte die erforderliche Ergänzung zu geben.
Schließlich lernte ich sogar noch die neue Washingtonstraße hinter der Kaserne kennen, gelangt man doch auf ihr geradeaus zur Kaditzer Elbbrücke, die einen auf das linke Ufer nach Cotta und unmittelbar zur Straßenbahnhaltestelle bringt.
F.B.

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