Übigau ist ein rechtselbischer Stadtteil, der 1324 erstmals als Vbegowe (slaw.) urkundlich erwähnt wird. Die Gründungszeit von Übigau, aber auch Pieschen, Gleina, Trachau fällt in das 10. und 11. Jahrhundert, als die Sorben schon dauerhaft der Herrschaft des deutschen Königs und des beauftragten Adels unterworfen waren. Die Herkunft des Namens ist nicht endgültig geklärt. Er könnte vom altsorbischen ubeg = Flucht oder aus einem bisher nicht belegten Personennamen abzuleiten sein. Wahrscheinlicher ist aber die Ableitung von ubeg=Flucht, da der Ort erhöht lag und sich die Bewohner hierher bei Hochwasser zurückziehen konnten.
Die Flur von Übigau beginnt an der heutigen Scharfenberger Straße. Der Ortskern, heute Altübigau, bildet ein etwa 8 Meter über der Elbe hochwasserfrei gelegenes, zur Elbe offenes Sackgassendorf. Den Dorfplatz nannte man früher "Die Tränke" und die Rethelstraße war die Vieh-"Triebe". In der Wand des Gebäudes Nr. 8 ist ein Schlussstein von 1720 erhalten. Leider wurden am 2. März 1945 von den sechs Gehöften vier zerstört, sodass das alte Dorfbild nicht mehr erhalten ist.
Übigau besaß eine Gewannflur (im frühen Mittelalter entstandene Einteilung des Ackerflurs eines Dorfes in meist drei Abschnitte=Gewanne) von nur 82 ha Fläche, die in 10 Hufe unterteilt war (Eine Hufe war ab dem Mittelalter eine Messgröße für ein Stück Ackerland. Von einer Hufe konnte eine Bauersfamilie leben. In der Regel waren es 40 Morgen, also etwa 10 Hektar=100.000 qm).
Die Rethel- und Werftstraße bildeten die Triebe, d.h. die Viehdrift. Da der Dorfplatz sehr klein war, errichtete man auch auf der Rethelstraße Höfe. Am Gut Rethelstraße 28/Ecke Thäterstraße sind zwei Schlusssteine von 1693 und 1695 erhalten.
1559 gab es in Übigau 13 Bauern, 1764 17 Bauern, einen Gärtner und vier Häusler (Als Häusler bezeichnete man früher Kleinstbauern mit eigenem Haus, aber nur wenig Grundbesitz). 1801 betrug die Zahl der Einwohner 131, 1834 152. Sie ernährten sich von der Landwirtschaft (auch Weinbau) und vom Fischfang. Der Weinbau der Übigauer in der Lössnitz und in der Ebene muss beachtlich gewesen sein, da 1630 die kurfürstliche Kellerei in Übigau 9 Fass Wein kaufte.
Übigau unterstand im Mittelalter der Gerichtsbarkeit und Grundherrschaft des Hochstifts Meißen und war bis 1559 dem bischöflichen Amt Stolpen, dann dem landesherrlichen Amt Dresden unterstellt. Nach dem Bau des Schlosses Übigau im Jahre 1725 ging die Grundherrschaft 1732 durch Tausch von der Stiftbaumeisterei des Hochstifts Meißen an das kurfürstliche Amt Dresden über. An der Flurgrenze gegen Mickten zog sich der Bischofsweg als wichtiger Verkehrsweg hin (Meißen-Stolpen-Bautzen). Dieser führte von Briesnitz durch die "Eiserne Furt" der Elbe über die heutige Scharfenberger Straße, die Böcklinstraße, Kötzschenbroder Straße, weiter über Konkordienstraße, Fritz-Reuter-Straße zum Bischofsplatz, Bischofsweg, über die Prießnitz weiter bis Stolpen.
Die Anwesen Rethelstraße 17 und 19 wurden als Bischofsgüter bezeichnet.
Bis zum 16. Jahrhundert lag zwischen Übigau und Mickten das kleine Dorf oder Einzelgehöft Borschen (letzte urkundliche Erwähnung 1556 und 1570). Als Borschen zur Wüstung wurde, kam das Ortsgelände zu Übigau, die meisten seiner Felder übernahm aber Mickten. (Wüstung ist die Bezeichnung für eine Siedlung oder Wirtschaftsfläche, die vor der Neuzeit aufgegeben wurde, an die aber noch Urkunden, Flurnamen, Reste im Boden oder örtliche mündliche Überlieferungen erinnern)
1725 ließ der Kabinettsminister Graf Jakob Heinrich von Flemming (1667-1728) von Johann Friedrich von Eosander das barocke Schloss Übigau errichten. Es war ab 1736 im Besitz des Landesherrn, wurde 1831 von Ratszimmermeister PAUL SIEMEN gekauft und 1836 von der Maschinenbauanstalt Übigau erworben, in der Johann Andreas Schubert das erste sächsische Dampfschiff "Königin Maria" und die erste deutsche Lokomotive "Saxonia" baute. Die etwas südlich gelegene Schiffswerft ging 1877 an die Gesellschaft "Kette" über.
1870-1871 befand sich in Übigau ein Barackenlager für 16000 französische Kriegsgefangene, die in den hiesigen Betrieben arbeiten mussten (Grabmäler für 116 verstorbene Gefangene findet man auf dem Friedhof Serkowitzer Straße in Kaditz). Zu dieser Zeit hatte Übigau knapp 500 Einwohner, zumeist waren es Bauern.
1903 wurde Übigau gemeinsam mit Pieschen, Trachau, Mickten, Löbtau, Plauen, Naußlitz, Wölfnitz und Cotta nach Dresden eingemeindet. Dies erfolgte nicht ohne Widerstand, wie eine historische Karte oder das folgende Festlied belegen. Der Mann, der die Vororte in den Sack kehrt, ist übrigens der damalige Dresdner Bürgermeister Beutler.
Die alte Übigauer Pionierkaserne an der Elbe (Rethelstraße) diente seit 1879 als Wohnhaus und wurde 1988 abgerissen. Reste der dörflichen Bausubstanz sind in Altübigau, an der Rethel- und Kaditzer Straße erhalten. Die Scharfenberger Straße bildet die nördliche Flurgrenze Übigaus; somit ist das oft zu Übigau gerechnete Siemenswerk (Trafowerk, Koch & Sterzel) Mickten zuzuordnen.
Mickten und Übigau bildeten einen Schulbezirk, 1897 wurde die Schule Thäterstraße erbaut (1928-1929 erweitert). Die soziale Struktur wurde Ende des 19. Jahrhunderts von der Industrialisierung bestimmt. Seit dem Ersten Weltkrieg befanden sich zwischen Scharfenberger und Washingtonstraße Kasernen und Funktürme der "Luftschiffer" und des Telegraphenbataillons Nr. 7. Zur Erschließung eines im Elbbogen von Übigau, Mickten und Kaditz geplanten Industriegebietes wurde 1929-1930 die "Flügelwegbrücke" (Kaditzer Elbbrücke) als damals längste Blechträgerbrücke Europas errichtet. Der Luftangriff am 16. Januar 1945 zerstörte Gebäude in der Schiffswerft, am 2. März 1945 wurde ein Großteil der Wohnhäuser in Übigau zerstört. (Situationsbericht 1946)
1964-1965 wurden die Wohnblocks an der Mengsstraße gebaut. Vorrangig für die Beschäftigten des Transformatoren- und Röntgenwerk wurden 1979-1980 die Wohnblocks an der Klinger-, Rethel-, Thäter- und Werftstraße errichtet (6 Blocks mit 320 Wohnungen). 1997-1998 entstand das neue Stadtteilzentrum "Elbarkaden" an der Carriera- bzw. Werftstraße. Im Zuge der Errichtung weiterer Wohnneubauten ab 2010 wurde 2012 auch die frühere Schule an der Thätertsraße zum Wohnhaus umgebaut.
Entwicklung der Einwohnerzahlen Übigaus | |||
1801 | 131 | 1900 | 1786 |
1834 | 152 | 1905 | 1858 |
1871 | 414 | 1933 | 2370 |
1895 | 1319 |
Verzeichnis der Händler und Gewerbetreibenden, die zum Jahreswechsel 1926/27 ihre Kundschaft per "Dresdner Volkszeitung" gegrüßt und alles Gute für das neue Jahr gewünscht haben. Die Liste ist nicht vollzählig, bietet aber doch einen interessanten Überblick über die Struktur des Kleinhandels und -gewerbes dieser Zeit.
Verzeichnis der Händler und Gewerbetreibenden
Liste der Kulturdenkmale im Ortsamtsbereich Mickten
Festlied zur 25-jährigen Gedenkfeier der Einverleibung Uebigaus nach Dresden
Geschrieben für einen musikalischen Unterhaltungsabend im "Fliegerheim" (Silvester- und Gedenkfeier 1927)
Parole: Alle mitsingen (Meloldie "Wie ein stolzer Adler"), Verfasser unbekannt
1 Neunzenhnhundertdreie, Ei, wie war's da schön, Uebigau das treue Einverleibt zu sehn. Dresden Residenz, Uebigau Frequenz. Beutler kam und nahm Allen Ramsch zusamm! |
2 Uebigau und Mickten, Trachau und Kaditz, Löbtau ihn entzückten, Cotta, Tolkewitz, Gruna, Reick, Räcknitz, Seidnitz und Zschertnitz. Gustel Blasewitz Macht nicht mit den Witz. |
3 Fünfundzwanzig Jahre Schwanden nun dahin, Doch das Wunderbare Will uns nicht in Sinn. Uebigau bleibt tot, Weil Gestank und Kot, Das weiß jedes Kind Beutlers Gaben sind! |
4 Und die lieben Steuern, Ach, herjemerne, Groß und ungeheuern Trägt kein Portmonai. Wie war da galant Uebigaus Vorstand; Die paar lump'gen Mark Zahlen war bloß Quark! |
5 Sieht man sich die Orte Einverleibten an, Find' man keine Worte, Was man uns getan. In der Dresdner Welt Sind wir kalt gestellt. Arm von Uebigau, Stadtrat weiß genau! |
6 War mal ein Vergnügen, Sagte Vater Schmidt: "Ich wird' es erwiegen, Bring drei Märkel mit." Jetzt ein großes Heer Steuern kreuz und quer, Daß es ein' verstimmt, Bald den Atem nimmt! |
7 Kad'z, Uebigau, Mickten Zahlen Steuern gut; Renn' wie die Verrückten Alles in der Wut Bis nach Pieschen nuff, Verzugszinsen druff; Dann mit kalten Been' Kann man Stunden stehn! |
8 Weder Strauch noch Bäume Straß' und Plätze ziert; Es sind alles Träume, Wir sind angeschmiert. Blumen schön und fein Pflanzt die Stadt in Reih'n. Klärdreck, Schlachthofmist Unser Blumbeet ist. |
9 Keine Bank zum Küssen Reichswehr sie vermißt, Kranken zur Erholung Nichts zum Sitzen ist. Großer garten fein Bänke groß und klein, Pleps von Uebigau Haut ins Gras euch schlau! |
10 Straßenbahn der Armen Fährt nach Übigau, Es ist zum Erbarmen Unter aller Sau. Umsteigen ich bitt', Hinten geht nicht mit; Zehn Minuten Streit, Dann gehen alle beid'. |
11 Eine Flutenrinne Hat man auch gebaut; Wer noch hat fünf Sinne, Vor dem Dinge graut. Stadtrat, der will prahl'n, Und wir sollen zahl'n; Denn, wer hier will bau'n Bitt Gott um Vertrau'n. |
12 Eine Schule prächtig Thaeterstraße steht, Doch ist das verdächtig, Weil nichts vorwärts geht. Osterhasens Fest In das neue Nest. Rennt nicht, es ist dumm, In Filialen rum! |
13 Ein Gemeindebüttel, Nachtwächter zugleich, Ohne Gummiknüttel König war vom Reich. Jetzt kommt rot und grau, Grün und manchmal blau, Und wenn Groß-Skandal Auch der Überfall! |
14 Steht man vor dem Rathaus Sieht den Esel an, Dann ist es gleich aus, Weil wir keinen ham. Rathausesel, au, Fehlt für Uebigau, Darum man vermehr' Dieses Eselheer! |
15 Fünfundzwanzig Jahre Haben wir geharrt, Jeder es erfahre, Daß man uns genarrt. Aber Beutler fein, Hatte großes Schwein; Sage Du zu mir, Und ich folge Dir! |
Situationsbericht von 1946
niedergeschrieben vom Schulleiter Mehner in der Schulchronik der 42. Volksschule
Von der Bevölkerung
Viele Einwohner litten sehr unter der Kälte wegen des großen Mangels an ausreichenden Heizstoffen. Rohkohle und Schwelkoks erzeugten zu wenig Kalorien. Viele holten sich Holz aus den angrenzenden Wäldchen. Diese wurden stellenweise arg geplündert. Den meisten Armen fehlte ordentliche Kleidung und festes Schuhwerk.
Bei den Wahlen zum Volksentscheid, Stadtparlament und Landtag erhielt die SPD in unserem Vorort eine beachtliche Mehrheit.
Eine große Sterblichkeit setzte besonders unter den alten Leuten ein, weil die Lebensmittelkarte für Sonstige entschieden zu wenig Kalorien bot. Viele starben an Hungersnöten.
Dass der Lebensstandard viel zu niedrig war, mögen die Tagesrationen einer Arbeiterkarte verdeutlichen:
Brot 400g, Nährmittel 35g, Zucker 20g, Fleisch 40g, Fett 15g, Marmelade 30g
Schwer- und Schwerstarbeiter erhielten entsprechend mehr, Angestellte, Kinder und Sonstige weniger.
Vom Ort Übigau
Die Straßenbahn fuhr nicht mehr bis in die Stadt, sondern pendelte nur bis zum Straßenbahnhof (Mickten).
Elektrischer Strom und Gas wurden tageweise gesperrt. Die lichtlosen Abende vergingen schrecklich langsam.
Da es meist an Baumaterialien fehlte, ging das Instandsetzen der Häuser nur ganz allmählich vor sich. Ausgebrannte Häuser durften nur bis zum 1. Stock aufgebaut werden.
In der Notzeit nahmen Diebstähle recht überhand, gestohlen wurden Hühner, Gänse, Kaninchen, Schweine, Vorräte aus Kellern, Holz, Kohlen, Gartenzäune, Wäsche und Kleidungsstücke.
Von den Russen
Trotz der Wohnungsnot hielten die Russen die Beschlagnahme einer Anzahl Grundstücke aufrecht, zum Glück verringerten sich die Fälle von Plünderungen. Auch fingen sie an, in den Häusern auf Ordnung zu halten. Die Zahl der Russen verringerte sich im Straßenbild, nur vereinzelt sind noch Überfälle auf Deutsche bekannt geworden. Die Kaserne war weiter mit russischem Militär belegt.